Frau Schauberger – was ist die Problematik in Bezug auf die Abrufzahlen?
Das zentrale Problem ist, dass selbst die Automobilhersteller noch keine klaren bzw. sicheren Aussagen in Bezug auf die benötigte Ausbringung der Anlage treffen können. Wenn die Anlagentechnik bereits von Anfang an auf die vorab geplante, finale Taktzeit ausgelegt wird und die prognostizierten Peak Ausbringungen letztendlich nicht abgerufen werden, zieht dies enorme Kosten nach sich, da sich das Montagekonzept nicht rechnet. Das heißt, wir als Maschinenbauunternehmen müssen unseren Kunden eine möglichst flexible Produktionsanlage liefern.
Was müssen Sie bei der Konzeptausarbeitung im Hinblick auf die benötigte Flexibilität beachten?
Bei der Automation wird vermehrt eine einfache Erweiterbarkeit gefordert. Durch unsere verschiedenen AKE-Standardzellen ist das ohnehin bereits gegeben. Allerdings wird, wenn seitens unserer Kunden gewünscht, bereits bei der Konzeptauslegung und bei der Konstruktion ein Augenmerk auf die spätere Erweiterbarkeit gelegt – beispielsweise werden ideale Trennstellen geschaffen, Bohrbilder für Erweiterungen vorgesehen und Konzepte für die späteren Ausbaustufen oder für zusätzliche Produktvarianten erarbeitet.
Aber in Punkto Flexibilität sind vor allem auch die Werker-Tätigkeiten zu betrachten. Ein entscheidender Punkt ist, die Anordnung und auch die Austaktung der Werker-Plätze ideal – heißt möglichst flexibel – zu gestalten. Durch die jahrelange Erfahrung in der Auslegung von flexiblen Montagekonzepten auch im manuellen Bereich, geben wir unsere Kunden gerne Empfehlung hinsichtlich Austaktung und ergonomischer sowie effizienter Gestaltung der Arbeitsplätze.
Wie können wir uns die effiziente Gestaltung der Werker-Tätigkeiten oder Arbeitsplätze genau vorstellen?
Ziel ist immer, eine einfache Skalierbarkeit der Anlage zu erreichen. Im Peak-Jahr wird die maximale Werker-Zahl benötigt. Die Anlauf-Phase oder auch die End-of-Life-Phase, sprich die Ersatzteilversorgung wird lediglich mit minimalem Werkereinsatz abgedeckt.
Wir arbeiten mit der Werker-Skalierung zum Beispiel bei unseren Konzepten für die manuelle Vorserienfertigung. Aber auch die Ausbringung einer automatisierten Anlage kann auf diese Weise angepasst werden. Um in der Anlaufphase den benötigten Teilebedarf mit weniger Personal zu produzieren, können durch intelligente Arbeitsplatzgestaltungen mehrere Tätigkeiten zusammengefasst werden.
Durch eine Anordnung der Montageanlage im U-Shape Design werden Werker- bzw. Verpack-Plätze räumlich soweit wie möglich zusammengefasst um die Gehwege zu reduzieren. So kann ein Werker mehrere Stationen bedienen.
Mit dem sogenannten „Chaku-Chaku-Prinzip“ ist es darüber hinaus in der Ramp-up oder Ramp-down Phase sehr einfach möglich, die Anlage mit einem reduzierten Werker-Anteil zu betreiben. Bei diesem Vorgehen durchlaufen die Werker nacheinander in vorgegebener Reihenfolge die Arbeitsplätze – die Zahl des Bedienpersonals hängt dabei von der benötigten Anlagenausbringung ab.
Bedeutet die Bedienung mehrerer Stationen nicht großen Aufwand für den Mitarbeiter an der Anlage?
Wir machen uns natürlich Gedanken, wie wir den Werker auch in dieser Phase entlasten können und die Arbeit an mehreren Stationen möglichst simpel gestalten. Der Königsweg ist die Werker-Entkopplung durch Zuführung der Einzelteile über Gurtförderbänder, Linearförderstrecken oder Stauförderer. Das ermöglicht sowohl das Abdecken einer gewissen Produktvarianz, als auch die Reduktion des Werkereinflusses auf den Produktionsprozess. Die Werker können sich durch die Entkopplung einen Puffer erarbeiten und somit auch in der Anlauf- oder End-of-Life-Phase problemlos mehrere Arbeitsplätze bedienen.
Aber irgendwann kommt es nicht mehr nur auf die Werker-Tätigkeiten an. Sie sind vorher bereits kurz auf die Erweiterbarkeit der Anlagen selbst eingegangen. Haben Sie hierfür konkrete Beispiele?
Ja klar, beispielsweise kann in eine manuelle Vorproduktion nachträglich ein automatischer Werkstückträger-Transfer eingebaut werden. Durch die Integration von Prozessen und Tätigkeiten in eine Automatikzelle werden darüber hinaus die Werker entlastet.
Nehmen wir hier der Einfachheit halber einen Schraubprozess an, der mittels Bitwechsel und vorhandenem Handschrauber zuerst manuell erfolgt und anschließend über ein Upgrade in einer Automatikstation durchgeführt wird. Der Werker wird entlastet und kann sich um einfache Bestück-Tätigkeiten kümmern, welche in diesem Fall kostenintensiver zu automatisieren wären und die qualitätsrelevante Verschraubung übernimmt die Automation. Das muss sich ohne Zweifel auch rechnen: bei einer einzigen Schraube ist dieses Vorgehen sicherlich unrentabel, können aber mehrere Schraubfälle mit demselben Schraubentyp erfolgen, ist das eine Betrachtung wert.
Es ist definitiv eine Abwägungssache inwieweit die Werker-Tätigkeiten reduziert werden sollen. Das hängt zum einen vom Produktionsstandort ab und zum anderen davon, ob überhaupt die Möglichkeit besteht, Prozesse und Tätigkeiten kostengünstig zu automatisieren.
Wie lassen sich solche Upgrades am einfachsten – und vor allem mit minimalen Stillstandzeiten – realisieren?
Am einfachsten kann man Upgrades gestalten, wenn wir diese - wie bereits erwähnt – durch die Einplanung von idealen Trennstellen oder Bohrbildern, schon bei der Auslegung der Grundkonzepte berücksichtigen. Das betrifft sowohl die Produktvarianz als auch geplante Taktzeitreduzierungen. Bei den Erweiterungsstufen wird zudem die Werker-Austaktung nochmal betrachtet und bei Bedarf neu ausgelegt. Bei den Erweiterungsstufen können beispielweise einzelne Prozessmodule auf ein bestehendes Maschinengestell adaptiert werden. Sollen vorab keine Leerstationen eingeplant werden, können mithilfe der Modulbauweise komplette Standardzellen integriert werden.
Durch die Vorab-Auslegung etwaiger Ausbaustufen lässt sich der Anlagenstillstand beim Kunden während der Erweiterung und die damit verbundene, benötigte Vorproduktion der Bauteile deutlich verringern. Das kann sogar so weit gehen, dass wir das Anlagenupgrade so vorbereiten und staffeln, dass ein Teil der Schichten bereits während der Inbetriebnahme wieder produzieren kann.
Welchen Vorteil bietet es Ihren Kunden geplante Abrufzahlen erst durch Ausbaustufen abzudecken? Ist dieses Vorgehen wirklich praktikabel?
Da teilweise vom SOP (Start-of-Production) bis hin zur Peak-Ausbringung Jahre ins Land ziehen ist das durchaus eine praktikable Lösung um die Stückzahlen in der Anlaufphase abzudecken und erst anschließend in die finale Ausbaustufe zu investieren.Mit diesem Vorgehen besteht für unsere Kunden die Möglichkeit eine erneute Prüfung der Marktsituation nach der Produkt-Anlaufphase durchzuführen und die Anlagentechnik entsprechend auf die aktuellen Anforderungen abzustimmen.
So kann anfangs der Erst-Invest geringgehalten werden. Es ist es gängige Praxis Automatikstationen oder auch Werker-Plätze im Nachgang zu erweitern. Und eine solche Erweiterung ist grundsätzlich immer möglich. Allerdings sind diese bei vorheriger Berücksichtigung im Grundkonzept deutlich einfacher, schneller und vor allem kostengünstiger umzusetzen.
Was können Sie Ihren Kunden als Tipp mit auf den Weg geben?
Es wird immer wichtiger und ist definitiv eine Herausforderung das Gleichgeweicht aus Invest-schonender Basislinie und sinnvollen Vorbereitungen für spätere Upgrades zu finden.Hier müssen auch unsere Kunden dazu bereit sein, am Anfang in die flexible Gestaltung zu investieren, um die Erweiterungen im Nachgang so einfach wie möglich zu gestalten. Wenn die Erweiterungen bereits in der Planungsphase berücksichtigt werden, wirkt sich das positiv auf die späteren Kosten der Ausbaustufen und die Stillstandzeit während der Inbetriebnahme der Upgrades aus. Dies gilt gleichermaßen bei einer Stückzahlerhöhung bzw. bei einer Variantenerweiterung. Und nur gemeinsam mit unseren Kunden schaffen wir es, mit der nötigen Flexibilität auf sich schnell verändernde Marktsituationen zu reagieren.