Herr Bachhuber, erzählen Sie uns: worauf müssen Sie bei der Auslegung der Produktionsanlagen für E-Komponenten besonders achten?
Zentrale Themen bei der Montage von Elektrokomponenten sind natürlich immer die technische Sauberkeit und ESD-Auslegung der Anlagen. In Bezug auf die technische Sauberkeit ist es erforderlich den kompletten Automatisierungsprozess mit allen Einflüssen zu betrachten. Beginnend mit den Anlieferzuständen, über die Montageschritte bis hin zur Verpackung der Produkte. Alle Bauteile, die verwendete Anlagentechnik, die einzelnen Prozesse und der komplette Produktionsablauf müssen im Detail analysiert und bewertet werden.
Können Sie uns konkrete Beispiele nennen, wie Sie die technische Sauberkeit sicherstellen?
Na klar... es beginnt bereits damit, Kleinteile während der Zuführung zu reinigen. Außerdem achten wir darauf, dass z.B. Schrauben nie über dem Bauteil selbst zugeführt werden. Generell werden Bauteilhandlings und Bewegungen über dem Produkt soweit wie möglich reduziert. Wir haben detaillierte Konstruktionsrichtlinien, die sich mit dem Thema TecSa befassen. Die Vermeidung von Schmutz ist hier der zentrale Grundsatz. Wenn dies nicht möglich ist, müssen wir uns Lösungen überlegen – nicht, dass die Verschleppung von Schmutz später zu Bauteilbeschädigungen oder Ausfällen führt. Bei bestimmten Montageprozessen – zum Beispiel bei Pressfit-Vorgängen - planen wir Absaugungen ein um die Späne bzw. den Abrieb, der beim Einpressen entsteht, gleich zu entfernen. Es kann aber auch bei manuellen Montagetätigkeiten zur Bauteilverschmutzung kommen. Um das zu vermeiden, werden zum Beispiel für diesen Schritt nicht relevante Bauteilbereiche abgedeckt und so geschützt.
Interessant! Sie haben vorher noch von der ESD-Fähigkeit gesprochen. Sind die Anforderungen hier auch so hoch?
Das kommt darauf an. Ähnlich wie beim Thema Sauberkeit, muss man auch hier das komplette Konzept und die äußeren Einflüsse betrachten. Die zentrale Frage ist immer, ob die gesamte Anlage in ESD-Ausführung ausgelegt werden muss, oder ob es reicht, einzelne Teile beziehungsweise bauteilberührende Komponenten so zu gestalten. Oft lösen wir es so, dass wir die Anlage zum Beispiel erst ab dem Montagezeitpunkt einer Platine ESD-fähig auslegen. Natürlich muss man sich aber dann auch überlegen, wie sich Nacharbeits- und Sonderabläufe auf das ESD-Konzept auswirken. Meistens stellt die goldene Mitte den richtigen Weg dar – eine Ausnahme bilden hier nur Werker-Arbeitsplätze, diese führen wir meist komplett ESD-fähig aus.
Wieso sind Werker-Arbeitsplätze eine Besonderheit?
Weil manuelle Tätigkeiten im Montageprozess immer auch ein gewisses Risiko darstellen. Werker sind grundsätzlich komplett frei in ihrer Bewegung – also sorgen wir dafür, dass Beschädigung und Falschverbau eines Bauteils ausgeschlossen werden. Aber nicht nur im Hinblick auf das ESD Konzept. Wir stellen uns immer die Frage, ob die potenzielle Gefahr besteht, dass Bauteile vom Werker beschädigt werden und wie man die Mitarbeiter bei der manuellen Montage unterstützen kann. Oft lassen sich durch simple Lösungen auch die manuellen Montagetätigkeiten kontrollieren und so können wir das Risiko senken.
Wie genau kann ich mir diese Werker-Unterstützung bzw. die Kontrolle der manuellen Tätigkeiten vorstellen?
Eine 100-prozentige Überprüfung der vom Werker durchgeführten Tätigkeiten lässt sich aus wirtschaftlichen Gründen meist nicht durchführen, daher gilt das Prinzip der Fehlervermeidung. So wird beispielsweise dem Werker nur die benötigte Schraube für den aktuellen Arbeitsschritt einzeln zugeführt um den Verlust von einzelnen Schrauben im Bauteil zu vermeiden. Bei anderen Prozessen werden manuell geführte Fügeeinheiten eingeplant um eine Bauteilbeschädigung auszuschließen. Wenn gewisse Tätigkeiten nicht überprüft werden, dann wird das Bedienpersonal mit mechanischen oder optischen Systemen, wie Projektionslasern, unterstützt.
Die Herausforderung bei allen manuellen Tätigkeiten ist immer das richtige Verhältnis zwischen Überwachung, Werker Verantwortung und Wirtschaftlichkeit zu finden.
Sie sprechen von Wirtschaftlichkeit. Das Ziel aller Kunden sind immer möglichst niedrige Kosten. Wie gehen Sie mit dem Thema um?
Das ist im E-Mobility Sektor ein etwas komplexeres Thema. Die wirtschaftlichste Lösung stellt oft nicht nur die kostengünstigste Anlagentechnik dar. Komponenten im Bereich der E-Mobilität sind oft mit hohen Verkaufspreisen verbunden. Deshalb ist neben dem intelligenten Bauteildesign auch die Konzeptauslegung entscheidend. Wir unterstützen unsere Kunden bei der Festlegung der Wertschöpfungskette im Montageprozess, wenn möglich wird auch das Bauteildesign dementsprechend angepasst. Teure Komponenten werden im Idealfall erst so spät wie möglich montiert, um die Ausschuss-Kosten möglichst gering zu halten. Außerdem werden durch strategisch im Montageablauf positionierte Zwischenprüfungen Bauteilfehler frühzeitig erkannt und können über ein geeignetes Nacharbeitskonzept oft noch repariert werden. So stellen wir eine wirtschaftliche Gesamtlösung sicher, die unseren Kunden möglichst niedrige Kosten verspricht – in der Anschaffung, aber auch bei der Herstellung der Produkte.
Was müssen Sie bei der Auslegung der Montagevorgänge sonst noch beachten?
Da es sich bei den Produkten um besonders sensible Bauteile handelt, müssen sogar beim Bauteil-Handling oft besondere Vorgaben beachtet werden. Platinen dürfen beispielsweise nur an vorgegebenen Bereichen gegriffen werden, die Krafteinleitung darf nur an bestimmten Bereichen erfolgen, Bauteile müssen stoßfrei transportiert oder während Aushärtezeiten temperiert und gelagert werden. Das sind alles nur Beispiele – man muss stets den Einzelfall betrachten. Aber dank unserer jahrelangen Erfahrung in dem Bereich wissen wir immer, worauf wir achten müssen.
Ich kann mir vorstellen, dass besonders bei der Entwicklung von Montageanlagen für Batteriesysteme große Herausforderungen auf den Maschinenbauer zukommen – teure Komponenten, Hochspannung, Kurzschluss- und Brandgefahr. Wie treten Sie dem entgegen?
Vor allem mit großer Umsicht und Schutz für Bedienpersonal und Sachwerten. Die großen Spannungen von bis zu 800V stellen zum Beispiel eine Gefahr für den Werker dar. Der Großteil der HV Montage-Prozesse ist deshalb in abgeschlossene Hochvolt-Zellen integriert. Manuelle Montagetätigkeiten werden unter Berücksichtigung von Schutzvorkehrungen für den Werker umgesetzt, beispielsweise durch spezielle Schutzausrüstung.
Zudem achten wir auf das beschädigungsfreie und verliersichere Handling von Zellen oder Modulen. Aber diese Themen sind ja grundlegend. Wichtig ist auch ein schlüssiges Havarie-Konzept. Unsere Experten aus dem Bereich haben dieses Thema stets im Blick – bei der Entwicklung, aber auch im laufenden Projekt. Sie berücksichtigen sich ändernde Einflussfaktoren und passen das Konzept dementsprechend an. Die Lösungen gehen vom Emergency Button zur Entriegelung eines Bauteils für die manuelle Ausschleusung in niedrig automatisierten Anlagen bis hin zum vollautomatischen Abwurf in Havariebehälter. Thermal Runaways werden mit Temperatursensoren und Wärmebildkameras erkannt.
Risikofaktoren sind auch hier wieder die Werkertätigkeiten. Die manuellen Abläufe müssen so abgesichert und überwacht werden, dass selbst bei einem Falschverbau von Komponenten keine Kurzschlüsse verursacht werden können.
Sie nehmen ja die Anlagen bei Ihnen im Haus und auch bei Ihren Kunden in Betrieb. Wie stellen Sie sicher, dass auch in dieser Phase alles reibungslos läuft?
Ein wirksames Hilfsmittel ist hier die virtuelle Inbetriebnahme von Anlagen. Diese nutzen wir bei jedem Projekt, aber vor allem bei kritischen Prozessen ist die virtuelle Inbetriebnahme sehr hilfreich. Bei der Herstellung von Batteriesystemen stehen zum Beispiel nur selten Dummy-Zellen zur Verfügung. Das heißt, wir müssen die Anlage mit geladenen Zellen in Betrieb nehmen. Da besteht natürlich die Gefahr von Beschädigungen, Kurzschlüssen und im Worst-Case könnte es sogar zu Bränden kommen. Durch unser Software Tool ist es möglich, Prozesse bereits virtuell zu testen und zu optimieren. So senken wir das Risiko für die reale Inbetriebnahme enorm.
Eine weitere Herausforderung ist, dass aufgrund der hohen Bauteilkosten Einfahrteile nur in begrenzter Anzahl verfügbar sind, gleichzeitig müssen aber auf Wunsch vom Kunden sehr früh Test- und Validierungsteile produziert werden. Das bedeutet, dass nicht nur die Prozesse sehr früh stabil laufen müssen, wir müssen generell auch in der Inbetriebnahme-Phase bereits alle Vorgaben berücksichtigen, TecSa, ESD usw.
Das hört sich alles sehr kompliziert an. Herr Bachhuber, eine letzte Frage noch: was ist Ihrer Meinung nach zusammengefasst das Wichtigste, damit ein Projekt unter all diesen Anforderungen klappt?
Der entscheidende Punkt ist meiner Meinung nach Erfahrung. Man muss den Blick für das Detail haben und darf dabei das große Ganze nicht aus dem Auge verlieren. Aber da sind wir auf jeden Fall gut aufgestellt und können auf viele erfolgreiche Projekte zurückblicken, wie zum Beispiel Montageanlagen für Batteriesysteme, HV Boxen, Zellkontaktiersysteme oder Ladekomponenten. Wir nehmen den Input aus insgesamt schon über 10 Jahren Branchenwissen im E-Mobility Bereich und versuchen das mit neuen Technologien und Ansätzen zu optimieren.